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Bewertungsprobleme bei der Erbteilung
Bewertungsprobleme verursachen selbst bei "zivilisiert" verlaufenden Erbteilungen oft Streitigkeiten unter den Erben. Gesetz und Rechtsprechung liefern einige Orientierungshilfen; nicht selten schreibt auch der Erblasser insbesondere bezüglich Liegenschaften einen Anrechnungswert für die Erbteilung vor. Dazu folgende Ausführungen:
I. Massgeblicher Wert und Bewertungszeitpunkt
Damit eine Erbteilung überhaupt möglich ist, sind die einzelnen Nachlassobjekte zu bewerten. Unterliegen die Nachlassobjekte zwischen Todes- und Teilungstag erheblichen Wertschwankungen, müssen sich die Erben auch auf den Bewertungszeitpunkt einigen. Die Erben sind in ihren diesbezüglichen Vereinbarungen völlig frei und können sowohl eine Teilung basierend auf Werten per Todestag oder per Teilungsdatum oder auf einen anderen Zeitpunkt wählen. Lediglich bei Meinungsdifferenzen schreibt das Gesetz vor, dass der Verkehrswert im Zeitpunkt der Erbteilung massgebend ist (Ausnahme: landwirtschaftliche Grundstücke). Vergeht zwischen Todes- und Teilungstag eine erhebliche Zeitspanne, so werden sich die Erben in ihren Verhandlungspositionen vernünftigerweise ohnehin auf diesen gesetzlichen Grundsatz abstützen. Soweit sich die Erben nicht auf einen anderen Bewertungsmodus einigen, hat dieses gesetzliche Prinzip zur Konsequenz, dass Wertveränderungen z.B. von Liegenschaften, welche ab Todestag bis zur Teilung eintreten, alle Erben im Verhältnis ihrer Erbquote beglücken oder verärgern.
II. Sonderfälle
1. Pflichtteilsberechnung
Soweit bei einer Erbteilung fraglich ist, ob die Pflichtteilsansprüche bestimmter Erben durch letztwillige Anordnungen tangiert sind, bestimmt allerdings das Gesetz, dass mit Werten per Todestag eine Kontrollrechnung anzustellen ist, ob überhaupt eine Pflichtteilsverletzung vorliegt. Bei der Bestimmung, in welchem Umfang eine Herabsetzung von lebzeitigen oder testamentarischen Zuwendungen stattfindet, um die Pflichtteile wiederherzustellen, sind jedoch wiederum die Verkehrswerte im (späteren) Zeitpunkt der effektiven Durchführung der Herabsetzung massgeblich (umstritten).
Ergibt die Kontrollrechnung, dass bei einer Bewertung der Nachlassobjekte per Todestag keine Pflichtteilsverletzung vorliegt, so können auch spätere Wertschwankungen der gesamten Nachlassgrösse keine Pflichtteile mehr verletzen. Hingegen tangieren auch die Pflichtteilserben Wertveränderungen des Nachlasses zwischen Todes- und Teilungstag entsprechend der Grösse ihrer Pflichtteilsquote.
2. Ausgleichungsansprüche
Bei der Erbteilung sind allenfalls auch Ausgleichungsansprüche zu beachten. Die Ausgleichung betrifft in der Praxis insbesondere die Nachkommen, da das Gesetz bestimmt, dass alle Nachkommen lebzeitige Empfänge (Erbvorbezüge) des Erblassers untereinander auszugleichen haben, sofern der Erblasser nicht ausdrücklich das Gegenteil verfügt (ZGB 626 Abs. 2). Das Gesetz verlangt, dass diese lebzeitigen Vorempfänge mit Wert per Todestag abzurechnen sind, es sei denn, der empfangene Wert sei vom begünstigten Nachkommen vor Ableben des Erblassers bereits wieder veräussert worden; diesfalls ist der erzielte Erlös massgebend. Doch Achtung: Bei Vorempfängen durch Zuweisung von Geldbeträgen gilt das sog. Nominalwertprinzip, d.h. ein allfällig erwirtschafteter Ertrag zwischen Empfang der Geldsumme und Todestag des Erblassers wird nicht berücksichtigt; massgeblich ist allein die ursprüngliche Höhe der erhaltenen Geldsumme. Diese Betrachtungsweise kann jedoch zu stossenden Ergebnissen führen, die leider hingenommen werden müssen.
Dazu ein Beispiel: Der Vater schenkt 1975 seinem Sohn Fr. 200'000.-- in bar und seiner Tochter ein Mehrfamilienhaus im Nettowert (Verkehrswert abzüglich Hypothekarschuld) von ebenfalls Fr. 200'000.--. Der Vater, welcher bei den ausgerichteten Erbvorbezügen der Meinung war, seine beiden Nachkommen gleichmässig begünstigt zu haben, stirbt 2002. Bis zum Todestag konnte der Sohn dieses ursprünglich in bar ausgerichtete Vermögen durch Börsengeschäfte auf Fr. 1 Mio. steigern, währenddem die Liegenschaft der Tochter auf einen Nettowert von Fr. 800'000.-- angestiegen ist. Beruft sich der Sohn bei der Erbteilung stur auf die geschilderte Rechtslage, so hat er sich lediglich Fr. 200'000.-- (Nominalwert) als Vorbezug anrechnen zu lassen, derweil die Tochter Fr. 800'000.-- zur Ausgleichung bringen muss.
Im Rahmen der gegenseitigen Ausgleichungspflicht von Nachkommen für ihre lebzeitig empfangenen Zuwendungen ist auch die gemischte Schenkung zu erwähnen. Bei der gemischten Schenkung liegen eine teilweise entgeltliche und eine teilweise unentgeltliche Zuwendung vor. Entsprechend dem erbrechtlichen Prinzip der Ausgleichungspflicht muss sich der begünstigte Nachkomme den unentgeltlichen Teil der Zuwendung im Verhältnis zu seinen Geschwistern anrechnen lassen. Eine auf diesem Zuwendungsteil zwischen ihrer Ausrichtung und dem Tod des Erblassers eingetretene Wertveränderung wird vom Bundesgericht nach der sog. Quotenmethode mit folgender Formel berücksichtigt: (Wert des Gegenstandes per Todestag) x (effektiv geschenkter Teilbetrag bei Vertragsschluss) : (Wert des Gegenstandes bei Vertragsschluss) Beispiel: Der Sohn X erhält vom Vater 1995 eine Liegenschaft im Nettowert (Verkehrswert abzügl. Hypothekarschuld) von Fr. 150'000.--, wobei der Sohn als Kaufpreis Fr. 60'000.-- bezahlt. Der Schenkungsanteil lag also im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bei Fr. 90'000.--. Per Todestag des Vaters wird die Liegenschaft auf einen Nettowert von Fr. 200'000.-- geschätzt. Der ausgleichungspflichtige Vorempfang des Sohnes X errechnet sich nach der Formel des Bundesgerichtes wie folgt: Fr. 200'000.-- (Wert Todestag) x Fr. 90'000.-- (damaliger Schenkungsanteil) : Fr. 150'000.-- (Wert bei Vertragsschluss) = Fr. 120'000.-- ausgleichungspflichtiger Vorempfang) Nicht selten ist unter den Erben strittig, ob überhaupt eine gemischte Schenkung oder ein rein entgeltliches Rechtsgeschäft vorliegt. Die Rechtslehre verlangt, dass die Wertdifferenz zwischen Leistung und Gegenleistung gross ist (erhebliches Missverhältnis), und dass für die Parteien - in unserem Beispiel: Vater und Sohn X - diese erhebliche Wertdifferenz erkennbar war; das Bundesgericht geht noch weiter und verlangt, dass das Missverhältnis nicht nur erkennbar, sondern von den Parteien auch tatsächlich erkannt worden ist.
III. Amtliche Schätzung von Liegenschaften
Eine etwas sonderbare Bestimmung findet sich in ZGB 618, wo festgelegt wird, dass, falls sich die Erben bei Liegenschaften nicht über den Verkehrswert einigen können, dieser durch amtlich bestellte Sachverständige endgültig festgelegt wird. Der Kanton Zürich hat die Behandlung eines solchen Geschäftes dem Einzelrichter in Erbschaftssachen zugeteilt, welcher seinerseits die zuständige Bezirksschätzungskommission mit der verbindlichen Schätzung beauftragt. Diese Bestimmung erstaunt deshalb, weil ja bei Streitigkeiten eigentlich der ordentliche Richter im Rahmen einer Erbteilungsklage für eine verbindliche Wertbestimmung zuständig sein sollte. Das Bundesgericht hat denn auch den allgemein gehaltenen Wortlaut von ZGB 618 hauptsächlich auf denjenigen Fall eingeschränkt, wo der Erblasser einem Erben im Sinne einer Teilungsvorschrift (ZGB 608) eine Liegenschaft zugewendet hat. In einem solchen Fall kann von einem Erben das amtliche Schätzungsverfahren eingeleitet werden.
Auch der Begriff der Endgültigkeit der Schätzung hat das Bundesgericht eingeschränkt, indem es sich für berechtigt hält, dennoch "gewisse grobe Mängel" des Schätzungsgutachtens aufheben zu können. Unklar ist die rechtliche Situation, wenn ein Erbe nach Vorliegen der amtlichen Schätzung eine Erbteilungsklage einreicht.
Darf der ordentliche Erbteilungsrichter nochmals eine neue Schätzung in Auftrag geben oder ist er an die amtliche Schätzung gebunden? Der Leser merkt: Auch Juristen wissen nicht alles!
IV. Erblasserische Bestimmung des Anrechnungswertes
Recht häufig macht auch der Erblasser von seinem Recht, Teilungsvorschriften (ZGB 608) zu erlassen, Gebrauch, indem er Bewertungsregeln für die Teilung aufstellt. Gebräuchlich sind testamentarische Formulierungen wie "Nach meinem Tode fällt die Liegenschaft zum Preis (...) an meinen Sohn Hans", wobei sich die Preisfestsetzung oft auf den Vermögenssteuerwert bezieht. Die Motivation für solche Bewertungsregeln liegt einerseits darin, den Erben eine mögliche Grundlage für Streitigkeiten zu entziehen, anderseits bezweckt der Erblasser damit nicht selten die Begünstigung eines bestimmten Erben, indem er den Anrechnungswert tiefer als den Verkehrswert ansetzt. Solche Bewertungsvorschriften und allfälligerweise damit verbundene Begünstigungen einzelner Erben sind zu beachten, soweit keine Pflichtteilsansprüche verletzt werden.
Anders ausgedrückt: Die Differenz zwischen Anrechnungs- und Verkehrswert muss in der disponiblen Quote, also in derjenigen Quote, über welche der Erblasser frei verfügen kann, Platz haben. In der erblasserischen Anordnung, welche eine Zuweisung an einen bestimmten Erben und einen genau festgelegten Anrechnungswert enthält, sind streng juristisch betrachtet zwei Verfügungsarten miteinander verkoppelt. Zum einen liegt eine reine Teilungsvorschrift (ZGB 608) vor, indem ein Objekt einem bestimmten Erben zugewiesen wird. Zum anderen ist im Umfang der Wertdifferenz zwischen Anrechnungs- und Verkehrswert ein Vorausvermächtnis in der Form eines Quotenvermächtnisses zu erblicken. Beim Vorausvermächtnis wird dem Erben zusätzlich zu seinem Erbteil ein Wert zugewiesen. Das Vorausvermächtnis ist von seinem Inhalt her ein sog. Quotenvermächtnis, indem der Begünstigte diejenige Quote als Vermächtnis erhält, welche der Differenz zwischen Anrechnungs- und Verkehrswert entspricht. Verletzt diese Differenz Pflichtteilsansprüche übriger Erben, so ist im Streitfall das Quotenvermächtnis um diejenige Summe herabzusetzen, damit die Pflichtteilsausrichtung gewährleistet ist.
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